So ein Theater


Lena darf in einem Theaterstück in der Schule die Hauptrolle spielen. Das ist toll, denke ich mir. Meine Kinder sind für so etwas noch zu jung, aber wäre das bei uns der Fall, wäre ich sicher sehr stolz darauf.

Organisation und Vorbereitung

Die Geschichte beginnt auch sehr positiv: Der Vater versorgt seine „Fee“, findet dann aber so ganz nebenbei heraus, dass die Aufführung übermorgen ist. Hmmm. Sowas stünde bei uns bereits Wochen vorher fett im Kalender.

Naja, wir wollen mal nicht gleich so streng beginnen. Aber hier nicht streng zu sein fällt letztlich ziemlich schwer. Im Nachhinein frage ich mich, ob dieses Buch eine Slapstick-Parodie einer chaotischen und unorganisierten Familie sein soll, dann ist es durchaus gelungen … für erwachsene Leser vielleicht. Kinder sehen das aus einer anderen Perspektive. Sehr kleine Kinder haben z.B. gar keine Möglichkeit, so eine Geschichte richtig zu verstehen (falls es denn so gemeint war), weil ihnen diese Art von Humor noch fehlt. Aber sei’s drum. Ich versetze mich jetzt mal in das wunderbare Hinterfragen eines Kindes und denke so ein bisschen mit.

Hier regiert das Chaos

Also passend zur in dieser Familie offenbar traditionellen und rituellen Ignoranz und Unvorbereitetheit geht noch eine Stunde vor der Aufführung zu Hause alles drunter und drüber. Ok, jetzt werdet Ihr sagen, da würde es aber bei Euch auch drunter und drüber gehen. Ja, das glaube ich, bei uns ja auch, aber aus den richtigen Gründen. Wir wären fieberhaft mit den Vorbereitungen beschäftigt. Jeder, der mal als Elternteil zu einer Veranstaltung gefahren ist, wo das eigene Kind mitgewirkt hat, kenn das Gefühl.

Hier in diesem Buch geht es aber rund, weil keiner auf das große Ereignis hinarbeitet, sondern alle etwas anderes tun. Und, wie es ein Fussballer glaube ich mal so treffend formulierte, wenn man kein Glück hat, dann kommt auch noch Pech dazu. Dass die Geschichte am Ende noch gut ausgeht, muss an einem seltsamen Attraktor im Phasenraum der Geschichte liegen. Ich will da allerdings jetzt noch nicht zu viel verraten.

Ein paar Dinge müssen aber erwähnt werden, also los: Als man sich, quasi blutüberströmt, ins Auto gekämpft hat, springt das nicht an. Genau jetzt, wo es am dringendsten ist. Ja, das kennen wir alle: wenn man es schon eilig hat, dann kann man so etwas nicht brauchen, das ist gelungenes Drama. Hier kann sich der Vater übrigens etwas rehabilitieren: In dieser Situation bleibt er absolut cool und weiss nicht nur genau, was zu tun ist, er tut es auch, bevor die anderen überhaupt mit ihrer Hysterie richtig anfangen können, und ruft ein Taxi.

An dieser Stelle gibt es übrigens ein kleines Paradoxon zwischen Text und Bild: Während der Text sagt, es sind noch 20 Minuten bis zur Aufführung, sagt die gezeichnete Zeitanzeige nicht 20, nicht 21, ach ich mach’s kurz, sie zeigt 28 Minuten an. Nennen wir das mal AuIrnm = Autor(in) und Illustrator(in) reden nicht miteinander.

Naja, das Taxi kommt und man steigt ein. Dann heißt es:

Der Taxifahrer ist ein lustiger, dicker Mann mit weißem Schnauzer.

Ja, seht Ihr, weiß. Sagen wir halt AuIrnm, zweiter Teil. Auf der Fahrt gibt es noch einige Dinge, die ich hier zerlegen könnte, aber ich will ja nicht das ganze Buch wörtlich wiedergeben. Eins muss aber sein: Der Fahrer ist wirklich ein lustiger Kerl, denn er ruft, bereits in vermeintlicher Nähe des Ziels,

Oh oh, ich hab mich verfahren!

An der nachfolgenden Stelle, wo er schließlich beteuert, das sei nur ein Scherz gewesen, war mir beim Lesen klar, dass der Junge heute wohl kein Trinkgeld sehen wird …

So, schließlich wechseln wir in die Schule, wo die Verantwortliche für das Stück, Lenas Lehrerin, zwischen den Zeilen nervös auf ihren Fingernägeln kaut und auf die Uhr schaut, anstatt mal schnell Lenas Eltern anzurufen und sie zu fragen, wo zum Geier sie eigentlich bleiben. Vielleicht scheint es hier üblich zu sein, zu irgendwelchen Aufführungen als Hauptdarstellerin erst ein paar Minuten vor der Beginnzeit anzukommen und nicht etwa mindestens eine halbe Stunde vorher, wie ich mir so etwas erwarten würde. Andererseits ist die Lehrerin wirklich gehörig nervös und Lena hätte ja vielleicht schon vor einer halben Stunde in der Schule sein sollen. Aber warum hat die Lehrerin dann nicht schon längst bei Lenas Eltern angerufen? Und warum tun dann alle in Lenas Familie so, als müssten sie erst zur Beginnzeit der Aufführung dort sein? Aber naja, wir wollen mal wieder nicht so streng sein.

Saved by the bell

Tja, um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, wie passend zu einem Theaterstück, kommt Rettung in letzter Sekunde. Lena wird vom Taxifahrer in den Saal begleitet. Wie bitte? Wieso macht das nicht der Vater oder die Mutter oder wer auch immer zuerst aus dem Taxi springen kann? Wieso macht das ausgerechnet der Kerl, den die Familie vor 20 Minuten noch nicht einmal gekannt hat, und der vor ein paar Minuten nichts besseres zu tun hatte, als sich einen billigen (wenn auch echt erholsam witzigen) Scherz mit der Familie zu erlauben?  Ach, wollen wir mal nicht so streng sein … Drama, Baby!

In diesem Sinne: Seid verantwortungsvoll beim Vorlesen!

 

Buchinformationen


Titel
: So ein Theater
AutorIn(nen): Lisa Gallauner
IllustratorIn(nen): Andrea Dölling
Geeignet ab: –
Buchreihe: Lenas liebe Welt
Verlag: G&G
ISBN: 978-3-902945-10-5
Erschienen: 2014

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Andreas

Vater von zwei Kindern. Liebt Lesen und Vorlesen. Interessiert und neugierig. Schreibt gerne.

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